Grundsätzliches
Der Lehrgang, den Böttcher aus allen deutschsprachigen Ländern (Deutschland, Österreich und Südtirol, Schweiz) besuchen dürfen, findet während der Ausbildungszeit (jeweils 12 Wochen, unterbrochen von ca. zwei Wochen Ferien) an der Landesberufsschule (LBS) Pöchlarn (Niederösterreich) statt. Lehrplanmäßig werden - in der in Österreich als Faßbinderausbildung bezeichneten - Ausbildung folgende sog. Gegenstände gelehrt:
1. Fachgegenstände
Angewandte Mathematik (Ama), Berufsfachliches Englisch, Computergestütztes Fachzeichnen (CgFz), Praktische Binderarbeit (PraBi), Spezielle Handwerkstechnik (SHt), Werkstoffkunde (Weku), Werkzeug- und Maschinenkunde (WekuMaku)
2. Allgemeinbildende Gegenstände
Deutsch und Kommunikation, Politische Bildung, Rechnungswesen (Rewe), Wirtschaftskunde und Schriftverkehr (WikuS)
3. Sonstige Gegenstände
Bewegung und Sport, Religion
4. Kurse
Angewandte Informatik (entspricht der Vorbereitung auf den sog. Europäischen Computerführerschein) (AI), Restauration (Rest)
Stundenplan und Unterricht
Ich veröffentliche an dieser Stelle meinen Stundenplan. Der Leser soll sich so ein Bild der zeitlichen Aufteilung der Ausbildungsinhalte machen können.
Unterrichtszeit | Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag |
7:05 7:55 | SHt | WekuMaku | FS | CgFz | PraBi |
7:55 8:45 | Weku | WekuMaku | FS | CgFz | PraBi |
9:00 9:50 | FS | AMa | FS | CgFz | PraBi |
9:50 10:40 | FS | AMa | Rewe | CgFz | PraBi |
10:45 11:35 | FS | FS | Rewe | Weku | PraBi |
12:35 13:25 | FS | CgFz | WikuS | SHt | PraBi |
13:25 14:15 | CgFz | WikuS | SHt | PraBi | |
14:25 15:15 | CgFz | SHt | PraBi | ||
15:15 16:05 | CgFz | FS | PraBi | PraBi | |
16:10 17:00 | Rewe | Rest | |||
17:00 17:50 | |||||
17:50 18:40 | AI | Rest | |||
18:50 19:40 | AI | Rest |
Es besteht die Möglichkeit, qua sog. Ansuchen die Befreiung von einzelnen Gegenständen oder auch Schuljahren zu beantragen. Von dieser Möglichkeit bzw. dem zu beachtenden Prozedere habe ich erst vor Ort erfahren. Ich empfehle daher, bereits im Voraus den Ausbilder bzw. ggfs. auch die zuständige Handwerkskammer zu befragen.
Um Befreiungen habe ich „angesucht“ für Deutsch und Kommunikation, Politische Bildung sowie Berufsfachliches Englisch.
Außerdem belegte ich den Restaurationskurs sowie Angewandte Informatik.
Die Unterrichte sind teils sehr ansprechend, teils informativ, vereinzelt aber auch langweilig. Regelrecht gefordert fühle ich mich in der Praktischen Binderarbeit, dem technischen Zeichnen, Werkstoffkunden und im Restaurationskurs. In Angewandter Mathematik wird übrigens genau das gemacht, was ich mir in der Schule stets gewünscht habe: Am konkreten Beispiel gerechnet.
Die Fächer
(Um den Rahmen nicht zu sprengen, schreibe ich lediglich zu den Fachunterrichten.)
Angewandte Mathematik
Eingestiegen wird hier mit Umrechnungen von Millimeter in Meter usw. sowie den Grundrechenarten. Es folgen Dreisatz, Prozentrechnung, Flächen und Raumberechnungen, Masseberechnungen und Holzfeuchtigkeitsberechnungen.
Berufsfachliches Englisch
Am Anfang stehen simple Kommunikation (Ich bin, wer bist Du? Welcher Weg führt mich zu meinem Ziel? Usw.) Später folgen Fachbegriffe und Redewendungen, Beschreibungen von Werkstücken, Geschäftspost und Bewerbungsunterlagen.
Computergestütztes Fachzeichnen
Technisches Zeichnen deutlich über Schulniveau (jedenfalls über dem, das mir anno 1991 zuteil wurde). Hinzugesellt sich das Arbeiten mit Auto CAD, einem gängigen und leistungsfähigen CAD-Programm.
Praktische Binderarbeit
Angeleitet von einem Faßbindermeister, der seinen eigenen Betrieb führt, gilt es, Models und Werkstücke anzufertigen. Es standen ein kleiner Sauna-Söchter und ein Blumenkübel auf dem Programm. In den aufbauenden Lehrgängen folgen ein kleines Fass und eine Wanne. Die berufsschuleigene Werkstatt ist sehr gut mit Werkzeugen und Maschinen ausgestattet und steht Fassbinderlehrlingen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Südtirol offen.
Spezielle Handwerkstechnik
Dieses Fach soll eine theoretische Abrundung der Praktischen Binderarbeit darstellen. Neben historischen Einordnungen (allerdings nur äußerst grob) werden böttchertypische Handwerkstechniken vorgestellt.
Werkstoffkunde
Holz, als der vorrangig von Böttchern genutzte Werkstoff, steht im Mittelpunkt des Unterrichts. Von der Photosynthese (in vereinfachter Form) ausgehend, wird der Bogen zu Schnittholz, dem „Arbeiten“ des Holzes, der Holztrocknung, Holzfehlern und -Krankheiten und den technischen Eigenschaften des Holzes gespannt. Weiterhin erfolgen Unterrichte zu Metallen und Lacken.
Werkzeug- und Maschinenkunde
Das Augenmerk wird in diesem Fach auf die Böttcherwerkzeuge und die von Böttchern genutzten Maschinen gelegt.

Kurse
Restauration
In diesem Kurs wird in die Grundlagen der Tischlerarbeit eingewiesen und eine kleine Truhe gefertigt. Der Kursleiter vermittelt neben den eigentlichen Arbeitstechniken (z.B. dem Verfertigen von Zinken und Schwalben) immer wieder Wissen, das sich in der Arbeitspraxis bewährt hat (wie fertige ich etwa einen "Leimpinsel" aus einem Stück Holz, wie reiße ich mehrere Werkstücke gleichzeitig an usw.)
Angewandte Informatik
Dieser Kurs bereitet auf den "Europäischen Computer Führerschein" vor.
Das Internat des LBS Pöchlarn
Während der Lehrgänge besteht die Möglichkeit, im an die LBS Pöchlarn angeschlossenen Internat zu wohnen. Dies kostet (inkl. der wirklich guten Verpflegung) 750 € je Lehrgang. Wenngleich das Wohnen im Internat in einigen Belangen gewöhnungsbedürftig ist.
Neben dem Kostenargument spricht die sehr gute Infrastruktur für die Nutzung des Internats. So gibt es einen Rechnerraum mit guter Internetverbindung, einen Kraftraum, die Möglichkeit, Tischtennis zu spielen und eine – wenn auch übersichtliche und fachlich leider unbelichtete – Bibliothek. Nicht zuletzt ist es gewiss nicht schädlich, dass man im Internat Kollegen kennenlernen kann, mit denen sich plauschen oder Bierchen trinken gehen läßt. Die Unterbringung erfolgt regulär in Vierbettstuben, ich genoss das Privileg eines Einzelzimmers.
Insgesamt bin ich von der LBS sowie dem Internat deutlich positiv überrascht; und ich bin mir recht sicher, dass viele Berufsschulen in Deutschland deutlich schlechter arbeiten. Als sehr großzügig empfinde ich die Regelung, die denen, die aufgrund der weiten Strecke am Wochenende nicht nachhause fahren können, die Möglichkeit einräumt, im Internat zu übernachten und verpflegt zu werden. Daher möchte ich mich auf diesem Wege für die Möglichkeit bedanken, die Berufsschule und das Internat in Österreich besuchen zu können.